Doris Müllner 

PorNo
oder
PornYes?

two dolls naked one on top of the other

„Pornos spielen bei unserer sexuellen Wahrnehmung eine große Rolle. Ethisch produzierte Filme können helfen, Stereotype aufzubrechen und ein neues Verständnis für Sexualität zu kreieren! ” 

Pornos: eine feministische Debatte

Während vielleicht vor ein paar Jahren Feminismus noch eine sehr gleichmäßige Strömung war, so ist das heute absolut nicht mehr der Fall. Von intersektionellem, konservativen oder queerem Feminismus bis hin zu Differenz- oder Gleichheitsfeminismus: zu sagen, man sei Feminist*in bedeutet in etwa so viel wie politisch zu sein. Irgendwie ist man engagiert und interessiert, aber wirklich aussagekräftig ist es nicht mehr. Darum streiten sich auch viele Feminist*innen, wie denn nun Pornos in der feministischen Debatte einzuordnen sind. Diese Debatte wollen wir genauer beleuchten. 

Was ist denn möglicherweise eine Kernaussage, die alle Feminist*innen verbindet? Alle Frauen sollen gleich, selbstbestimmt und frei in ihren Entscheidungen sein – und auch das überspannt den Bogen eigentlich schon. Da hört es dann aber schon auf, alleine die Diskussion, ob Transfrauen auch in die Diskussion miteinbezogen werden (wir sagen ganz klar ja), spaltet die Gruppen. Dementsprechend empfinden manche Feminist*innen Pornos als frauenfeindlich, während andere in ihnen ein feministisches Medium für Empowerment sehen. Darum wollen wir diese beiden Standpunkte genauer betrachten.

PorYes

Pornos als emanzipatorisches Medium

Ja, sagen sex-positive Feministinnen auf die Frage, ob Pornos feministisch sein können. Denn genau die Punkte, die eben kritisiert wurden, kann man ändern und sich zunutze machen, da die Kritik insbesondere der Mainstream-Pornoindustrie obliegt. Viele Frauen* und andere Menschen, die sich nicht in den gängigen Filmchen wiederfinden, greifen daher auf queere und feministische Pornos zurück. Allerdings stoßen wir auch hier wieder auf ein Problem, weswegen wir überhaupt in dieser Debatte sind – was bedeuten feministische Pornos? Sind es Pornos, die sich auf die Erfahrung der Frauen fokussieren? Sind es Pornos, die von Frauen gedreht sind? Vermitteln sie verschieden Körperbilder? Werden Frauen dahin sanft und liebevoll behandelt?

Paulita Pappel - Porno Produzentin

Wusstest Du...

… in den Vereinigten Staaten etwa alle 39 Minuten ein neuer Porno gedreht wird? In den USA werden die meisten Pornos gedreht und ihre Umsätze sind dort sogar größer als die von Hollywood-Filmen. 

… dass in Nordkorea das Konsumieren von Pornos strengstens verboten ist? Dasselbe gilt für das Drehen oder Besitzen von Pornografie. 

… dass die durchschnittliche (Mainstream-)Pornodarstellerin 21 Jahre alt ist und bei 156cm Größe 52kg wiegt. Das hat eine Studie von Jon Millward ergeben.

… dass die meiste Pornografie während der Arbeit konsumiert wird? Sex Tracker hat festgestellt, dass der meiste Verkehr (in der Tat) zwischen 9 und 17 Uhr stattfindet. Zudem geben insbesondere Männer zu, auf der Arbeit Pornos zu schauen.

 

Auch diese Fragen müssen individuell beantwortet werden. Allerdings gibt es immer mehr Plattformen, die zum Beispiel von Frauen gegründet wurden und feministische Pornos zeigen. Auch mehr und mehr Filme zeigen ein diverseres Körperbild und entstanden unter ethischen Bedingungen. Sogenannte ethische Pornos sorgen für faire Bezahlung, ein sicheres und angenehmes Arbeitsklima und gehen mit dem Thema verantwortungsvoll um: Sie wissen über die Bedeutungsschwere ihres Produkts Bescheid. Des Weiteren bekommt weibliche Lust – und zwar nicht nur im Hinblick auf Penetration – mehr Raum und wird vielfältig abgebildet. Etwa gründetet die feministische Pornodarstellerin und Regisseurin Paulita Pappel jüngst ein BDSM-Portal (Handwerk), das sich an Frauen richtet. Die Annahme, dass feministische Pornos also keine gewollte „Erniedrigung“ darstellen können, wird damit widerlegt. Pappel bedient so ein Genre, dass sehr männerdominiert war und auch in der feministischen Debatte nach wie vor für Aufregung sorgt. Auch die feministische Porno-Darstellerin und -Produzentin Erika Lust sorgte mit ihrem TED Talk für Aufmerksamkeit rund um eine inklusivere Porno-Debatte. Es ist also ganz schön viel in Bewegung.

Hinter den Kulissen

Feministische BDSM-Portale, und andere (queer-)feministische Pornos können dennoch auch ein Machtverhältnis sowie eine Hierarchie zwischen den Geschlechtern illustrieren. Ebenfalls kann es auch zu Darstellung von Gewalt kommen. Der wichtige Unterschied zwischen jenen Pornos und denen der Mainstream-Industrie ist die offene Kommunikation der Beteiligten und deren Einverständnis. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich vielleicht gar nicht voneinander – außer vielleicht in der Diversität der Dargestellten. Es ist daher für die Zuseher*innen nicht unbedingt leicht unterscheidbar, weshalb hier die Quelle des Produkts so wichtig ist. Meist wird das auf jenen Plattformen offen angesprochen oder es gibt einen Blick hinter die Kulissen. Gleichzeitig ist es sehr wichtig, dass es auch solche Pornos gibt. Denn zu denken, dass Frauen überhaupt keine Gewaltfantasien hätten, wäre sexistisch und schlichtweg falsch. Aber das Ambiente und die Bedingungen geben den Ton an. Leider ist das auf den ersten Blick eben nicht unbedingt erkennbar. 

Ein Nachteil – der eigentlich keiner sein sollte – ist, dass diese Plattformen meist nicht kostenfrei zugänglich sind. Das ist ja absolut verständlich, denn Konsum ist immer mit einer Form von Kosten verbunden – die faire Gage muss ja auch irgendwie bewerkstelligt werden. Der Nachteil daran ist, dass mehr Menschen für Pornos kaum Geld ausgeben wollen und daher auf „kostenlosen“ Mainstream-Pornos zurückgreifen. Allerdings ist eine finanzielle Mitgliedschaft auf jeden Fall eine ethischere Art und Weise, Pornos zu konsumieren und der Trend zeigt auch, dass auch immer mehr Menschen das ähnlich sehen. Hoffentlich werden diese Produktionen auch mehr und mehr in der Forschung berücksichtigt, welche sich primär auf Mainstream- und Amateurpornos konzentriert. Dass die Studienergebnisse davon (positiv) beeinflusst werden würden, ist sehr wahrscheinlich.

Die Berliner Produktionen von Sex School sind mehr als nur Pornos - Es sind Aufklärungsvideos in denen die Porn Performer über Sex sprechen und im Anschluss auch umsetzen.

Feministische Pornos normalisieren Diversität

Diese feministischen Plattformen bieten oft auch Inhalte an, die über reine Pornofilme hinausgehen. Zum Beispiel kann man die Darstellenden kennen lernen oder auch mehr über verschiedene sexuelle Praktiken erfahren. Das sorgt für mehr Transparenz, wie es von ethischen Pornos auch zu erwarten ist. Sie bringen damit auch einen gewissen Bildungsanspruch ans Tageslicht, was sie sehr von den künstlich-konstruierten Mainstream-Pornos unterscheidet. Gerade für besagte Teenager sind solche Seiten wichtig und können ihnen dabei helfen, ihre Sexualität frei von Scham und Normen zu entdecken. Zudem bieten sie keine Kategorien zu objektivierenden Körpermerkmalen wie „MILF“ oder „Asian“, sondern normalisieren Diversität und sorgen damit für mehr Körperzufriedenheit. Und davon können wir aktuell ja gar nicht genug bekommen.

Pornos können zudem auch Fantasien im wahrsten Sinne des Wortes befriedigen, wie wir es auf anderen Wegen nicht tun können – etwa, weil wir in einer monogamen Beziehung sind. Sie erlauben eine Bereicherung des persönlichen Lustrepertoires und unterstützen uns dabei, unsere Sexualität weiter zu erforschen. 

PorNO

Pornos profitieren von rassistischen und frauenfeindlichen Stereotypen

Wenn wir den Großteil der Pornoindustrie betrachten, also zum Beispiel Plattformen wie XHamster, Pornhub oder Youporn, dann stehen diese in keinem direkten feministischen Zusammenhang. Schauen wir uns zum Beispiel Pornhub genauer an. Es steht an 14. Stelle auf der am meisten besuchtesten Websites weltweit und auf Nummer 3 der Seiten für Erwachsene. Allein 2019 vermerkte Pornhub in ihrem Jahresbericht 42 Milliarden Zugriffe – in der Pandemie sollen diese nochmal um 25% gestiegen sein. Die beliebtesten Kategorien 2021 waren „Japanese“, gefolgt von „Lesbian“, „Ebony“, „Hentai“ und MILF. Was haben all diese Kategorien gemeinsam? Sie beschreiben die sexuelle Handlung, das Alter oder die Ethnizität von Frauen. In der DACH-Region war die Kategorie „MILF“, also „Mother I’d like to fuck“, was quasi eine Frau mittleren Alters beschreibt, die als normschön bzw. normattraktiv gilt. Damit steht diese Kategorie im starken Kontrast zu den sonst gerade mal volljährigen Performerinnen, die in den anderen Kategorien die Mehrheit bilden sind.

Diese Mainstream Pornoindustrie zeigt professionelle Inhalte mit einem kommerziellen Zweck. Zudem sind die meisten Konsumierenden männlich, ebenso wie die Produzierenden. Viele Kategorien sind auf den ersten Blick alles andere als feministisch und die Frau wird meist als Objekt, und nicht als Subjekt präsentiert. Allein schon jene ethnischen Kategorien, die sich primär auf das Aussehen der Frau konzentrieren, unterstreichen dies. Ein großes Problem einiger dieser Plattformen, darunter auch Pornhub, ist, dass alle Menschen Inhalte auf diese Website hochladen dürfen. Dazu zählen auch Videos, die Straftaten wie sexualisierte Gewalt darstellen und dadurch verherrlichen, darunter auch gegenüber Kindern.

Pornos illustrieren nur den männlichen Blick

Die meisten Mainstream-Pornos werden aus der Perspektive von Männern gedreht. Der male gaze, der uns bereits viele Jahrhunderte der Kunstgeschichte begleitet, verleitet die Betrachter dazu, sich in das Subjekt, den Mann, hineinzuversetzen. Dementsprechend wird auch auf die Bedürfnisse und Vorlieben von Männern eingegangen, nicht aber so sehr auf die von Frauen. Während zum Beispiel die Kategorie „Lesbian“ immer auf solchen Plattformen zu finden, fehlt oft die Kategorie „Gay“. Weil zwei Frauen sind natürlich anturnend, aber Männerliebe wird lieber nicht illustriert. Auch im Gruppensetting ist der Fokus meist immer auf den Frauen.  

Pornos vermitteln darüber hinaus ein bestimmtes Körperbild. Die Darstellerinnen sind meistens schlank oder aber auch sehr kurvig – allerdings geht letzteres eher in die Richtung eines bestimmten Fetisches und ist nicht die Norm. Wäre das nicht schon genug, so sind die Körper meistens komplett haarlos – mit wenig Ausnahmen und auch diese bewegen sich dann wieder in eine Fetisch-Richtung. Das Problem daran ist, dass es nicht nur unrealistische Erwartungen gegenüber weiblichen Körpern abseits der Pornoindustrie stellt, sondern dass Frauen, die jene Filme konsumieren, ihren Körper deshalb vielleicht als „falsch“ oder „nicht richtig“ betrachten. Und, mal ganz ehrlich, die Gesellschaft stellt so schon genug unrealistische Erwartungen an uns, da brauchen wir uns nicht noch über die Form unserer Vulvalippen Gedanken zu machen.

Pornos schaffen falsche „Realitäten“

Neben dem Frauenbild kann auch das Männerbild unter Pornos leiden. Männer, die oft nur als stumme, steife und stoßende Protagonisten präsentiert werden, sind dauerhart. Sie können lange und stöhnen dabei nicht. Die Frau hingegen beginnt ab der ersten Interaktion lauthals zu stöhnen. Nicht besonders realistisch, oder? Genauso wenig ist oft bekannt, was hinter den Kulissen von statten ging. Woher kommen die Darstellerinnen? Wie wurden sie behandelt, wenn die Kamera aus war? Wer bekommt wie viel Gage für den Dreh? Der Film Pleasure eine (Filmkritik von uns hier auf FemStories) zeigt, dass hier durchaus viel Manipulation und Ungerechtigkeit präsent sein kann. 

Das Problem an Pornos ist, dass wir Menschen in einer unglaublich intimen Situation sehen, was wir sonst nur mit unserer eigenen Erfahrung vergleichen können. Entsprechend können Pornos sehr unrealistische Bilder kreieren, die sowohl die sexuelle Erfahrung als auch das Körperbild prägen. Gerade wenn Pornos in der Jugend konsumiert werden – eine Zeit, die ohnedies sehr vulnerabel und entsprechend prägend ist – werden Pornos möglicherweise als eine Art Schulung betrachtet, die falsche Normen vorgeben.

Auch wenn es mittlerweile feministische Pornos gibt, auf die gleich noch genauer eingegangen wird, könnte man doch auch kritisieren, dass diese patriarchalen Strukturen reproduzieren. Das bringt die Frage auf, ob Pornos je ganz feministisch sein können?

FAZIT

Zusammenfassend greift es zu kurz, Pornografie als Ganzes als gut oder schlecht einzustufen. Wie so oft handelt es sich um ein sehr komplexes Thema und im Endeffekt bestimmen die Umstände das finale Votum. So bringt die Mainstream-Pornografie, die nach wie vor am allermeisten konsumiert wird, einige Probleme mit sich. Feministische Pornos hingegen greifen diese auf und bieten stattdessen freie Sexualität abseits von Normen. Die meiste Forschung, die bislang zu Pornografie getätigt wurde, betrachtete primär die Mainstream-Branche. Darum gibt es kaum Aussagen zu (queer-)feministischen Pornos – was sich aber durchaus bald ändern kann. 

Was wir euch mitgeben können, ist folgendes: Hinterfragt, was ihr seht. Welche Körper werden dargestellt? Auf wessen Bedürfnisse werden eingegangen? Wer hat diesen Porno produziert? Wie fühlt ihr euch nach dem Schauen? Habt ihr dafür Geld bezahlt oder konsumiert ihr ihn kostenlos? Die Antworten auf diese Frage kennt aber nur ihr selbst. 

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