Maria Hanny 

Interview Sofia Surma

Porträt Sofia Surma Gründerin Viva la vulva

„Feministin zu sein bedeutet für mich gegen alle Arten von Diskriminierungen aufzutreten, einzustehen und auch aktiv etwas dagegen zu machen!“ 

Vulva Shop, der erste Concept Store für die Vulva ging im April online yeahhh! FemStories war live dabei und hat Sofia Surma, Gründerin und Initiatorin zum Interview getroffen.

 

Du hast ein großartiges Frauenteam hinter Dir stehen und bist Gründerin des Vereins Viva La Vulva. Gemeinsam betreibt ihr den gleichnamigen Blog in dem die Gleichstellung und Selbstbestimmung der Frau im Mittelpunkt steht. Warum glaubst du braucht es solche Initiativen?

Weil wir jetzt im Jahr 2022 leben und die Vulva nach wie vor ein Tabu Thema ist. Und noch immer ganz viele Leute das Wort Vagina als Synonym für Vulva benutzen obwohl eigentlich etwas komplett anderes damit gemeint ist. Vagina bezieht sich ja nur auf das „Loch“ also die Schleimhautfalte , wo man was reinstecken kann. An dem Sprachmuster erkennt man schon genau, worum es in unserer Gesellschaft beim Sex geht – vor allem um Heteromänner. Deshalb braucht es solche Initiativen die versuchen, das Tabu rund um unsere Sexualität, die nach wie vor CIS männlich orientiert ist, zu brechen

(Mehr zu Thema Sprache und Sex findet ihr hier –> Sex in der deutschen Sprache.)

Und es sollte auch für jeden ganz normal sein ALLE Körperteile korrekt benennen zu können. 

Was bedeutet es für dich in der heutigen, modernen Zeit als Feministin zu leben?

Für mich bedeutet es vor allem frei und selbstbestimmt zu leben und auch konstant an dem Ziel zu arbeiten, dass alle Menschen frei und selbstbestimmt agieren können. 

Wir leben in einer Welt,  in der nicht von allen das volle Potenzial ausgenutzt werden kann. Vor allem wenn es immer noch Diskrimierungen, welche Art auch immer, gibt. 

Feminismus kann man auch nicht isoliert betrachten. Das gehts‘ nicht nur um Genderfragen sondern auch um Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit anderer Hautfarbe, mit Behinderungen, Menschen aus verschiedenen sozialen Klassen. 

Beim Feminismus geht es nicht nur darum, die Welt für Frauen besser zu machen. Es geht darum, die Welt diskriminierungsfreier zu machen!

Wenn ich über Feminismus nachdenke bin ich persönlich schon sehr privilegiert. Ich bin studiert, ich habe weiße Hautfarbe, ich bin eine Cis Frau, die sich auch als solche definiert. Aber es gibt eben leider noch genug Menschen, die in ihrem Leben unter verschiedenen Arten von Diskriminierungen leiden, die sich gegenseitig beeinflussen und auch bestärken.  

Feministin zu sein bedeutet für mich deshalb gegen all diese Arten von Diskriminierungen aufzutreten, einzustehen und auch aktiv etwas dagegen zu machen!

Wo siehst Du in Österreich noch Nachholbedarf in Sachen Feminismus?

Mit Viva La Vulva und dem Vulva Shop, ist das größte Thema für mich natürlich die Vulva und der weibliche Körper. 

Die Vulva ist nicht nur das weibliche Genital sondern sie ist ein Symbol dafür, das wir über Sexualität auf eine Art und Weise sprechen können, die politisch und nicht fokussiert ist auf den CIS Mann. Es sollte sich für uns alle gut anfühlen darüber zu reden und nicht mit Scham verbunden sein.

Und das bedeutet für mich allen voran die Dinge frei ansprechen zu können, ohne das sie gleich sexualisiert werden. 

Und da haben wir sicher noch viel Nachholbedarf.

Ein anderes Thema, das uns sehr am Herzen liegt und wo dringend etwas getan werden muss, ist Gewalt gegen Frauen. Österreich ist europaweit an der Spitze der Anzahl der Frauenmorde!

Wir haben deshalb letztes Jahr ein ganz großes Projekt am Yppenmarkt realisiert. Zusammen mit mit Kollektiv Kimerä malten wir die aktuelle Zahl der Femizide auf eine Art große Gedenkmauer. Es war uns wichtig, den Begriff „Femizide“ im öffentlichem Raum sichtbar zu machen, die Menschen zum Nachdenken anzuregen. Viele wissen gar nicht, was das Wort überhaupt bedeutet. Und ich finde, es ist auch Aufgabe der Politik, die Bevölkerung über dieses aktuelle Thema aufzuklären.

femizide in Österreich gedenkmauer kollektiv Kimära und Viva la vulva
Gedenktafel Anzahl der Femizide in Österreich.

Durch das Projekt ist uns klar geworden, dass wir nicht einmal wissen, wie viel Femizide es überhaupt aktuell gibt. Von offizieller Seite wird keine Statistik geführt. Daran sieht man schon, welchen Stellenwert dieses Thema in der Politik hat. Was die Frauenhäuser auch immer wieder fordern ist viel viel mehr Geld, das es dringend für den Gewaltschutz in Österreich braucht. 

(Anmerkung von der Redaktion: Ihr Lieben, hier findet ihr alle Infos rum um Spenden & Unterstützung von Frauenhäusern: Spendeninfo Frauenhäuser und hier, der direkte Link zum Spenden.) 

Ein drittes Thema, das mir noch sehr wichtig ist, sind Frauen als Unternehmerinnen. Mit dem Vulva Shop möchten wir vor allem die Frauen hinter den Produkten mehr in der Vordergrund rücken. 

Frauen als Unternehmerinnen sind in Österreich noch nicht sichtbar genug. Wir haben das Bild von Start Up Gründern in weißen Sneakers und Hemd. 

Beim Vulva Shop steht eben hinter jedem Produkt eine Frau, mit ihrer ganz eigenen Geschichte, die einen ganz eigenen Zugang zum Feminismus hat und sich auch aktiv dafür einsetzt. 

Die Politik sollten hier viel mehr die Unternehmerinnen in Österreich fördern. 

Vulva Shop

Vulva Concept Store 

„Female Empowerment, Lust und Kreativität stehen im Mittelpunkt“

Feminismus ist in diesen Online Concept Store überall vertreten. 

Herrliche Tees von Yoni Yoni, Pussy Pairs Memory Spiel, DIY Gips Abdrücke für die Vulva von Künstlerin Gloria Dimmel, Vasen von Teadrop Ceramics begleitet von wunderschönen kleinen Gedichten von Tina von Peomettes, inspirierende Postkarten oder Stickereien. Alles Produkte die sich mit viel Ästhetik Charme und Selbstbewusstsein dem Thema Feminismus widmen. 

Richtig gut auch das Muschicraftbier von Bierbaronin Anna Sofia Tscharnett 🙂

Hinter jedem Produkt steht eine Frau, die sich künstlerisch mit dem Thema Feminismus auseinandersetzt. 

Mehr zum Thema Vulva Kunst findet ihr in unserem Artikel!

Sidefact
„Mutausbruch“

Für die Gründung des Vulva Shops hat Sofia Surma ein fixes Jobangebot mit super Gehalt, in einem großen internationalen Konzern abgesagt und ist von Berlin wieder nach Wien zurückgekommen. 

Ihre Motivation

Die vielen Frauen, die sie hier in Österreich kennengelernt hat, die alle das selbe Mindset haben und in Sachen Feminismus etwas voranbringen möchten. 

You go Girls !!!

Wie können diese Ziele deiner Meinung nach erreicht werden ?

Dazu braucht es vor allem Aufklärung. Es braucht eine gesellschaftliche Veränderung sodass man auch als Frau über Sex und über vermeintliche Tabu Themen sprechen darf. Und da gibt es in Österreich noch sehr viel Nachholbedarf.

Wenn ich daran denke, was ich manchmal für seltsame Rückmeldungen bekomme wenn ich über Viva la Vulva oder den Vulva Shop spreche. Oft hört man auch noch blöde Kommentare…

Ich glaube, dass wir in Österreich auch mehr sexualpädagogische Aufklärung in den Schulen brauchen. Das Thema sollte viel mehr Gewichtung bekommen.

Ich denke, dass Kinder sich sehr früh mit ihrem eigenen Körper auseinandersetzen wollen. Es gibt leider immer noch zu viel Scham was den eigenen Körper betrifft. Deshalb war es mir auch wichtig im Vulva Shop Aufklärungsbücher für Kinder anzubieten.

Das Buch „Erbsenklein, Melonengross“, von Cornelia Lindner für Kinder ab drei Jahren ist einfach wunderbar!  Es geht um den geschlechtsneutralen Charakter Toni, der sich mit dem Thema Geburt, Sex und alles was dazugehört, auseinandersetzt. Cornelia, die Autorin, ist Sexualpädagogin und wir arbeiten schon seit Jahren mit ihr auf Viva la Vulva zusammen.

Das bekannte Buch „Lina, die Entdeckerin“  von Katharina Schönborn-Hotter, Lisa Sonnberger und Flo Staffelmayr, haben wir auch im Sortiment.

(Lina die Entdeckerin erhielt 2020 übrigens den Staatspreis „Die schönsten Bücher Österreichs.)

Also im Bereich Aufklärung, Vulva und Menstruation muss in den österreichischen Schulen noch einiges nachgeholt werden.

Was macht Dir an deinem Job am meisten Spass?

Am meisten Spass macht mir die Zusammenarbeit mit anderen Frauen, die auch gesellschaftlich etwas verändern wollen. Zu sehen, man ist auf dieser Reise nicht alleine, ist etwas Wunderschönes. Wir stehen bereits auf den Schultern unserer Vorfahrinnen und finden dann noch ganz viele Weggefährtinnen, mit denen man zusammen an einer besseren Zukunft für alle Menschen arbeitet. Und jedesmal wenn ich so eine Frau treffe, dann verspüre ich gleich wieder viel mehr Energie zum Weitermachen. Deshalb war für mich auch die Gründungsfeier vom Vulva Shop so wunderschön. All die Frauen in einem Raum zu sehen und was wir alles zusammen geschaffen haben war richtig toll!

Wann hast du dir das letzte Mal gedacht „Wow, Feminismus ist hier echt erfolgreich umgesetzt worden?“

Dank dem Vulva Shop hatte ich diesen Moment im letzten Jahr wirklich oft. Wir haben mit unseren Anbieterinnen Interviews geführt und ich habe viele schöne Geschichten gehört.

ACHTUNG Spoiler: es kommt auch bald ein eigener Podcast zum Vulva Shop, wo wir jede Geschichte noch genauer beleuchten werden. 

Wenn ich jetzt einen Moment sagen müsste, dann wäre das die Geschichte von Anna Sophie Tschannett und ihrem Muschikraft Bier. 

Ich habe Anna Sophie Tscharnett während unserer Gründungszeit vom Shop und ihrem Bier kennengelernt. Wir waren also beide erst am Anfang. Als Anna Sophie dann bei mir im Podcast war und erzählte, wie es zum Muschikraftbier kam und wie es ihr in der Umsetzung ging hatte ich so einen Moment.

Anna Sophie hat es geschafft die Vulva auf einem Objekt, das eigentlich sehr männlich konnotiert ist, das vor allem von Männer hergestellt und konsumiert wird im öffentlich Raum sichtbar zu machen. Eine Vulva auf einem Bier! Das war definitiv ein WOW Moment!

muschicraft Bier im shop vulva bestellbar
Das Muschicraft Bier von Anna Sophie Tscharnett.

Welche war die beste Entscheidung in Deiner beruflichen Laufbahn?

Meine berufliche Laufbahn ist sehr divers. Ich habe zunächst Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt auf Blockchain und IT studiert. Und habe dann auch lange Zeit in der IT  Blockchain Beratung gearbeitet. Es war ein sehr technisch, männerdominierter Kontext. 

Letztes Jahr im Juli traf ich dann die Entscheidung Viva la Vulva und Vulva Shop zu meinem Hauptberuf zu machen. Am Anfang hatte ich sehr viel Angst davor und es war wirklich nicht leicht – auch nachdem ich die Entscheidung getroffen habe. Ich hatte echt einige angsteinflössende Momente. Aber es war definitiv die beste Entscheidung 🙂

Ich möchte auch andere Frauen dazu ermutigen, den Schritt zur Unternehmerinnen zu wagen. Vor meiner Entscheidung habe ich viele Podcasts angehört, die mich noch mehr zum Zweifeln gebracht habe. Viele Gründer-Podcasts und ich sage jetzt bewusst GründER Podcasts sind von Männern.  Da  kommen dann so Sachen wie „Du musst 40.000€ auf der Seite haben sonst geht gar nichts“ oder „Du musst gleich Venture Capital Money sammeln und alles gleich ganz groß machen“ Und hätte ich nur diese Inhalte konsumiert, hätte ich mich nie getraut diesen Schritt zu wagen. Die Realität für Frauen die gründen wollen sieht halt ganz anders aus. Angefangen beim Gehaltsunterschied! Frauen haben auch noch viele andere Verantwortungen Stichwort „Care Arbeit“

Mut und Motivation etwas Umzusetzen ist eine große Sache – und da müssen wir auch noch viel dran arbeiten – aber ganz klar ist, dass es politisch dringend Änderungen bedarf um Frauen auch den Schritt in die Selbstständig überhaupt zu ermöglichen! 

Wie empfindest du die Wiener Männer in Sachen feministischer Aufklärung?

Ich glaube man kann das nie so verallgemeinern. Persönlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es viele Männer in meinem Umfeld gibt, die mich und meine Projekte immer unterstützt und gefördert haben. Aber natürlich glaube ich, das wir gesamtgesellschaftlich noch immer betonen müssen, das wir für Gleichberechtigung stehen und Feministinnen sind. Und das Wort „Feministin“ nicht mit „Männerhasserin“ gleichgesetzt wird. Das ist leider ein Mythos, der sich jetzt schon lange hält.

Ich bin fest davon überzeugt, dass eine feministischere Welt für alle Geschlechter eine besser wäre. 

Hat sich deiner Meinung nach bei der jüngeren Generation da schon etwas getan?

Ja! Da kann ich was aus meinem Privatleben etwas erzählen: ich habe zwei kleine Brüder, 20 und 19 Jahre alt und ich habe mir von beiden zu Weihnachten Menstruationsunterwäsche gewünscht. Anfangs waren sie ein bisschen verwirrt „Was ist das? Woher bekommen wir das“?

Am Ende waren sie dann auch sehr interessiert daran und haben mir tatsächlich schöne Menstruationsunterwäsche geschenkt (lacht!) 

Ich merke, dass meine Brüder jetzt schon ganz anders sind als die Jungs, die ich damals in meiner Teenagerzeit kennengelernt habe. Auf TikTok sieht man Schmink Tutorials von Männern* und das ganze Genderthema ist in dieser Generation nicht mehr so groß. Und ich finde das toll, dass diese Genderstereotype aufgebrochen werden. 

Was würdest du dir für die Zukunft für uns Frauen in Österreich wünschen?

Keine Rückschritte! Es ist traurig, dass ich das überhaupt so sagen muss.

Aber so wie es die letzten Jahren abgelaufen ist, auch mit einer konservativeren Regierung und auch dem gesamtgesellschaftlichen Backlash, den wir erlebt haben, muss sich was ändern. 

Ich wünsche mir deshalb mehr Fortschritte und das heisst für mich, dass die Vulva kein Tabuthema mehr ist. Das Sexualpädagogik in Schulen wichtiger und besser wird und das Frauen als Unternehmerinnen sichtbarer werden. 

Was ich mir für die feministische Community wünsche: mehr von diesem Gefühl
„Wenn wir alle Zusammen halten, kommen ganz große Dinge dabei raus!“ 

In diesem Sinne – danke für das Interview !!

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